Wenn du aus Detmold Richtung Westen auf die Autobahn möchtest, dann muss du durch Augustdorf. Das schöne für den Durchreisenden ist: er wird nicht durch Augustdorf aufgehalten. Durch Augustdorf führt eine Landstraße, die L758, die man als Autofahrer bequem mit 70km/h passieren kann. Nur die Ampeln am Kirchweg/ Hermann-Löns_Weg und Inselweg/ Imkerweg stören ein bisschen den Verkehr. Beim Durchfahren siehst du nur einen Bruchteil.

Das scheinbar verschlafene Dorf hat außer der Bundeswehr einiges zu bieten: ein Yogamatten Versand, unterhaltsame Kommunalpolitik, sieben konkurrierende Christliche Gemeinden, zwei Verlage, einen Roten Platz, einen weitbekannten Handballverein, viele Geschäftsleute, Kunstradverein, sieben weitere Sportvereine und vier Sandgruben. Das ist nur eine kleine nicht repräsentative Auswahl.

Landschaftsräumlich liegt Augustdorf in einem Ausläufer der Münsterländer Bucht an der Grenze zum Teutoburger Wald. Das bringt eine unglaubliche Vielfalt an Naturräumen in fußläufiger Entfernung. Waldmeister-Buchenwald, Heide, Moor, Bachquelle, Offenbiotope, Sukzessionsflächen, Kiefernwälder, Birkenhaine; es ist wie ein Mustergarten bei einem Baustoffhändler, wo auf kleinster Fläche möglichst viel gezeigt werden soll. Es ist ein Fluch und ein Segen zugleich. Der magere Sandboden, den den größten Teil des Gemeindegebiets bedeckt, ist für die Landwirtschaft unbrauchbar, deshalb wurde auf kaiserlichen Befehl in Augustdorf ein Truppenübungsplatz errichtet – den Panzern ist es egal, ob sie über Sandboden oder feinste Börde rollen. Die Bundeswehr ist bis heute noch der stärkste wirtschaftliche Motor der Sennegemeinde. Nicht nur wirtschaftlich, auch sozial, macht die Armee was mit dem Dorf. Viele arbeiten bei den Truppen und einige, die mal nach Augustdorf versetzt wurden, sind hier sesshaft geworden.

Augustdorfer Demografie ist spannend. Es gibt ganz wenige Einwohner, die seit Generationen hier leben. Der größte Teil ist zugewandert. Die ersten Siedler am Anfang der Industrialisierung waren nicht unbedingt freiwillig gekommen. Nach dem Krieg – die Geflüchteten aus dem heutigen Polen, in den Jahren des Wirtschaftswunders – die Gastarbeiter, nach dem Mauerfall – die Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion. Augustdorf ist so bunt und so jung, wie kein anderes Dorf in Europa. Meine Kunden erzählen mit oft Geschichten, wie sie nach Augustdorf gekommen sind; es war nicht schön: Armut, karger Boden, Sandstaub. Auch heute hat Augustdorf nicht die stärkste Kaufkraft in Lippe, aber alle Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf. Und auch sonstige Versorgung ist okay, wir haben hier Kindergärten, Schulen, Ärzte, Versicherungen, Banken (noch mit echten Bankbeamten und nicht nur Automaten) Polizei und Post.

Aber das schönste an Augustdorf ist: es ist meine Heimat geworden. Ich verlege bei unserem Kaufmann den Rollrasen und er verkauft mir mein Feierabendbier, meine Kinder sind auch Kunden von meiner Genossenschaftsbank, mein Hausarzt lässt meine Frau mich grüßen, auf dem Sonntagsspaziergang treffe ich unseren Bürgermeisterchen und halte mit ihm einen Plausch, kurz: ist ist alles, wie es sein muss.

Wenn du mich nach meiner Nationalität fragst – „keine Ahnung“. Meine Vorvorfahren sollen vor einigen Hundert Jahren aus Norddeutschland über das Baltikum nach Ukraina ausgewandert sein, danach nach Altai und Kasachstan. Als ich geboren wurde, gehörte Kasachstan zu der UdSSR, nach meiner Grundschulzeit aber nicht mehr. Meine bewusste Lebenszeit habe ich hier in Augustdorf verbracht. Vom Gefühl her, bin ich Augustdorfer, und damit in guter Gesellschaft, weil Migrationsvordergrund auch irgendwie zu uns gehört.

Die Fakten und Zahlen in diesem Beitrag sind nicht sauber recherchiert, sondern vom Hörensagen aufgeschrieben, daher bitte nicht in Hausarbeiten, Diplomen und politischen Diskussionen zitieren. Geneigte Klugscheißer sind herzlich willkommen, ihre zwei Cent dazulassen und mich des Besseren zu belehren. Ich hoffe du könntest verstehen, warum ich mein Dorf liebe und warum es der schönste Fleck auf dem ganzen Globus ist.